21 August 2024
Der heilige Gral der Algorithmen
Mari Carmen Bañuls ist Physikerin und Computerwissenschaftlerin. Ihre wissenschaftliche Karriere begann in der Teilchenphysik. Am Max-Planck-Institut für Quantenoptik entwickelt sie nun Algorithmen für Quantensimulationen.
Mari Carmen Bañuls ist Physikerin und Computerwissenschaftlerin. Ihre Karriere begann im spanischen Valencia mit der Faszination für Teilchenphysik, führte sie zur Computerwissenschaft und schließlich zum Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Hier ist heute sie Gruppenleiterin in der Abteilung "Theorie" und forscht an der Entwicklung von Algorithmen zur Simulation komplexer Quantensysteme. Angetrieben von Neugier und Offenheit betont Bañuls die Bedeutung von Teamarbeit und den Austausch innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Um diese voranzubringen, engagiert sie sich sowohl als Mentorin für Promovierende als auch als auch für das Institut als Ganzes.
Mari Carmen Bañuls ist ein bescheidener Mensch. Ihr im Gespräch eine Unbescheidenheit zu entlocken ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Nehmen wir beispielsweise die Sache mit dem dem "Orden del Merito Civil". 2015 hat König Juan Felipe von Spanien diesen Orden 38 spanischen Bürgerinnen und Bürgern verliehen als Auszeichnung für ihre Verdienste um die spanische Nation. Eine der Geehrten war die Physikerin und Computerwissenschaftlerin Bañuls.
Mari Carmen Bañuls erhält im Jahr 2015 von König Juan Felipe den Verdienstorden der spanischen Krone.
Seit 19 Jahren forscht Mari Carmen Bañuls am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Hier ist sie Gruppenleiterin in der Abteilung "Theorie" von Ignacio Cirac. Ihre Liebe zur Physik hat Bañuls schon in der Schule entdeckt und sich deshalb für ein Studium dieser Disziplin in ihrer Heimatstadt Valencia entschieden. Teilchenphysik war zunächst ihr Schwerpunkt: "Die Vorlesungen der Professoren zu diesem Thema haben mich einfach begeistert", sagt sie, "und als junger Mensch macht man oft das, wofür einen Lehrer begeistern."
Von der Teilchenphysik zur Quantenphysik
Schon damals wie auch heute hat sie ein Phänomen besonders fasziniert: Die Quantenverschränkung, also die unmittelbare Einwirkung von Quanten aufeinander, selbst wenn sie räumlich voneinander entfernt sind. "Diese Beziehung zwischen den Teilen eines Quantensystems sind völlig kontraintuitiv", sagt Bañuls, "sie haben aber real dramatische Auswirkungen auf die Ergebnisse lokaler Experimente." Dieses Phänomen ist eine der Ursachen, warum Quantensysteme unglaublich komplex sind. So komplex, dass sie mit existierenden Methoden nur in Ausschnitten verständlich werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen deshalb fieberhaft an neuen Algorithmen, mit denen sich Quantensysteme halbwegs realistisch simulieren lassen. Achtung Spoiler: Am Max-Planck-Institut in Garching arbeitet Mari Carmen Bañuls daran, solche Algorithmen zu entwickeln. Bis dahin war es aber ein 30 Jahre andauernder Weg. Auf ihm konnte sie vielfach ihre Neugierde und ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, sich auf höchstem Niveau in völlig neue Fachgebiete einzuarbeiten.
Tensornetzwerke: komplexe Systeme in kleinen Ausschnitten simulieren
Mit beidem - Teilchenphysik und Computerwissenschaften - hatte die Spanierin nun alles Wissen und alle Techniken zusammen, um sich auf die Suche nach ihrem persönlichen heiligen Gral zu machen: einem Algorithmus, mit dem sich komplexe Quantensysteme besser als bisher simulieren lassen. Das Werkzeug, das sie zu diesem Zweck immer weiter entwickelt und optimiert, sind so genannte Tensornetzwerke. Tensornetzwerke sind eine mathematische Methode, mit der sich bestimmte Aspekte oder Zustände komplexer Systeme aus der Gesamtheit aller möglichen Zustände herausgreifen lassen, um sie dann exemplarisch für das ganze System besser zu beschreiben, zu simulieren und zu verstehen.
Den Geheimnissen der Quantensysteme auf der Spur
Tensornetzwerke ermöglichen es nun, exakt definierte Zustände der Elektronensysteme zu betrachten und bestimmte Fragestellungen in Bezug auf diese Zustände zu beantworten. So kommen Physikerinnen und Physiker den Geheimnissen der Hochtemperatur-Supraleitung ein Stück näher. Ähnliches gilt für Quantensysteme, wie sie Quantencomputern zugrunde liegen. Mit Tensornetzwerken können Forscherinnen wie Bañuls "einzelne Familien von Zuständen der Qubits betrachten", wie sie sagt. Die Gruppenleiterin aus der Abteilung Theorie interessiert dabei besonders die zeitliche Dynamik, in der sich diese Zustände weiterentwickeln - und damit letztlich die Rechenleistung und die Rechenergebnisse von Quantencomputern mitbestimmen.
Einsatz für die wissenschaftliche Community und für das Team
Wenn man Bañuls zuhört, bekommt man den Eindruck, dass sie sich mehr als Mitglied einer großen wissenschaftlichen Gruppe denn als Gruppenleiterin sieht. So ist sie beispielsweise auch Ombudsperson im Institut, also die Anlaufstelle, an die sich Menschen vertrauensvoll wenden können, wenn sie Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis vermuten. Bañuls begründet ihr Engagement mit der Überzeugung, dass "man dem Institut auch etwas zurückgeben muss."
Quelle: MPQ-Website